Portraits

Bettina Demmel – Grafikerin, Malerin (1957 – 2013)

Gefunden – heimgefunden;
im eigenen Zuhause daheim

 Wie lässt sich der Prozess eines Lebens in Worte fassen? Diese Frage drängt sich beim Entwurf einer jeden Biografie auf. Wenn es um Bettina Demmel geht aber vielleicht besonders drängend. Nur 57 Jahre lang lebte sie – zwischen Memmingen und vielen, auch sehr fernen Orten. Mal- und Studienreisen führten sie nach Italien, Griechenland, Österreich, Frankreich, Spanien, USA, Thailand, Marokko, Tunesien, Ägypten, Südafrika und in die Türkei. Sie lebte in einer Intensität, die manche Beobachter nicht verstehen konnten, die aber für diese Frau einfach stimmig war. Intensität bestimmte nicht nur ihre Kunst, die ihr neben zwei Kindern kompromisslos am Herzen lag, sondern alles, was sie „in die Hand nahm“.

Geboren am 5. Juli 1957 in Fürth bei Nürnberg, verbrachte sie mit Eltern und zwei jüngeren Schwestern Schul- und Jugendzeit in Memmingen. Zumindest die Richtung, in der ihr Beruf gehen sollte, war für sie nach dem Abschluss der Realschule keine Frage. Schon Vater und Großvater hatten ihre „malerische Begabung“ zwar nicht beruflich eingebracht, aber gepflegt.

Bettina ließ sich von 1973 bis 1976 an der Fachakademie für das grafische Gewerbe in München ausbilden und erwarb die praktische Qualifikation bei dem in Memmingen angesehenen Grafiker Walter Angerer. Bis 1992 war sie als selbständige Grafikerin tätig und anschließend drei Jahre lang Kunstdozentin an der Freien Kunstschule Memmingen sowie an der Volkshochschule Memmingen. 1997 gründete sie ihre eigene Atelier-Kunstschule und war parallel dazu von 1999 bis 2000 Kunstlehrerin am Carl von Linde-Gymnasium in Kempten. Seit 1994 nahm sie auch bereits an nationalen und internationalen Gruppenausstellungen teil und stellte ihre Werke in Einzelausstellungen vor. War 1998 Schloss Fellheim der Ort, an dem sie sich erstmals präsentierte, so ging es dann fast alljährlich von Memmingen (Landestheater Schwaben) über Augsburg, Kempten, Lindenberg und immer wieder Memmingen bis Doha (Katar).

Ihre Ausbildung in Akt-, Porträt- und Aquarellmalerei hatte sie von P. Bammes, H. Zeller, G. Kleber, L. Wurm, G. Almbauer und auch in Workshops erhalten. 2000 und 2003 erweiterte sie ihr Können noch einmal bei den Internationalen Aquarellmeetings in Roth.

Waren es anfangs, zumal bei der Illustration von Schulpublikationen und Büchern, noch weithin gegenständliche Produktionen, so entwickelte Bettina Demmel dann schnell und für sie folgerichtig einen sehr freien Stil. Von Beginn an nie akkurat naturalistisch, ging es ihr später auch in den immer größeren Formaten fast ausschließlich um Farbkompositionen, weit ausholende Linien, um stimmige Flächengestaltung. Hatte sie zunächst hauptsächlich Landschaften und Blumen, Tiere und Stillleben als ihre Themen gewählt und liebevoll gestaltet, so setzte sie sich in ihren letzten Jahren immer mehr jener Spannung aus, die bildnerische Kunst auch zum Diskussionsstoff macht. Beim Aktzeichnen allerdings blieb sie ungemein genau und brachte gleichzeitig eine starke Dynamik in „ihre Körper“.

Wer eng mit ihr und ihrer Arbeit verbunden war, registrierte wohl staunend, dass diese Künstlerin fast vollständig auf Skizzen verzichtete. Selbst von Fernreisen brachte sie ihre Motive „im Kopf“ zur Umsetzung mit nach Hause. Sie soll ein phänomenales Gedächtnis besessen haben.

Ein anderer, mit ihrem eigenen künstlerischen Schaffen eng verbundener Bereich war ihre Kunstschule, in der sie Kinder und Jugendliche nicht nur anleitete, Stift und Pinsel zu gebrauchen, sondern Grundsteine für Kunstinteressen und -betrachtung vermittelte. In den Schaufenstern Memminger Geschäfte waren nicht selten die Werke auch schon der jüngsten Kunstschüler zu begutachten. Eine geschickte Methode war das, die Schüler „bei der Stange zu halten“.

Mit Jugendlichen ging die Kunstlehrerin gerne auch ins Freie, um den Blick zu schärfen, Perspektive und Umsetzung des Geschauten vor Ort einzuüben. Es ergab sich folgerichtig, dass in dieser Kunstschule nicht nur auf Papier gezeichnet und gemalt wurde, sondern auch Objekte aus unterschiedlichstem Material entstanden. Es gab schier gar nichts, was die Lehrerin nicht mit- und zum Einsatz brachte.

Die erwachsenen Kinder (Sohn und Tochter) erinnern sich gerne an die Kreativität ihrer Mutter, die sie in jedem Lebensalter zum Malen und Basteln anregte und mit ihnen auch Allerlei Verrücktes produzierte. Dabei wurde alles, was die Natur zu jeder Jahreszeit bereitstellt, phantasievoll verarbeitet. Immer habe sie Ideen für individuelle Dekorationen gehabt, wird berichtet. Dabei war ihr die ganz eigene Note wichtig, so wie bei Entwurf und Herstellung der gesamten Garderobe für sich selbst und die Kinder. Dass manche über ihr Outfit geschmunzelt haben, bestärkte die Trägerin höchstens in ihrem Bestreben, authentisch zu sein.

Ihr Interesse an allem Orientalischen war so stark, dass sie Arabisch zu lesen und zu schreiben erlernte, um tiefer in diese Kultur eindringen zu können. Um das südeuropäische Land, das sie liebte, und die Menschen dort besser zu verstehen, eignete sie sich Italienisch so weit an, dass sie vor Ort diskutieren konnte.

Ihre letzte Ausstellung fand 2012 in der Buxheimer Kartause gemeinsam mit Josef Bichlmair, einem befreundeten Bildhauer, statt. Anlässlich der Vernissage zu dieser Ausstellung endete das von Manfred Mühlbauer vorgetragene Gedicht „Sehnsucht nach Zuhause“ mit dem Zweizeiler: Gefunden – heimgefunden; im eigenen Zuhause daheim. Nach ihrem leider viel zu frühen Tod wurden ihre Werke im Mai 2014 im Rahmen einer posthumen Ausstellung im Antoniersaal in Memmingen der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Einnahmen in Höhe von 7000,- € wurden von ihrem Ehemann und ihrer Tochter zu gleichen Teilen dem Tierschutzverein Memmingen e.V. und der Igelambulanz- Beratungsstelle-Gnadenhof e.V. in Schwaighausen übergeben. Als bekannte Tierliebhaberin hatte Bettina Demmel bis in ihre letzten

Lebenstage mit Katzen gelebt.

Erika Gäble

Quelle:
Gespräche mit Peter Hodrius (Ehemann), Inara Spurdzins, (Tochter) und Petra Bammes (Bildhauerin)